Genossenschaftsrevision ist als Gebarungsprüfung mehr als eine bloße Abschlussprüfung
Bei der für Aktiengesellschaften und große sowie mittelgroße GmbHs verpflichtend vorgeschriebenen Abschlussprüfung erstreckt sich die Prüfung des Jahresabschlusses darauf, ob die gesetzlichen Vorschriften und ergänzenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages beachtet worden sind. Auf Fragen der Zweckmäßigkeit der Wirtschaftsführung ist bei einer derartigen Gesetzmäßigkeitsprüfung grundsätzlich nicht einzugehen. Lediglich bei Bestandsgefährdung besteht eine Redepflicht des Abschlussprüfers.
Bei der genossenschaftlichen Prüfung geht es demgegenüber um mehr: Nicht nur im deutschen Sprachraum hat sich das Prinzip einer materiellen Prüfung, der sogenannten „Genossenschaftsrevision“, bewährt und dementsprechend bis heute durchgesetzt. Im Rahmen einer derartigen Genossenschaftsrevision ist nicht nur die Gesetzmäßigkeit und Satzungsmäßigkeit des Jahresabschlusses zu prüfen, sondern auch, ob die Geschäftsführung den Geboten der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit entspricht. Darüber hinaus erstreckt sich eine derartige Revision auch auf die Frage, ob die Genossenschaft ihren satzungsmäßigen Förderungsauftrag erfüllt hat.
Mit einer solchen materiellen Prüfung ist auch die Möglichkeit verbunden, Prüfungsverfolgungsmaßnahmen zu setzen und dadurch auf die Abstellung der aufgezeigten Mängel hinzuwirken. So kann der Revisor z.B. nach § 7 des österreichischen Genossenschaftsrevisionsgesetzes vom Gericht zur Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung der Genossenschaft auf deren Kosten ermächtigt werden, wenn der Revisionsbericht von den Organen der Genossenschaft nicht ordnungsgemäß behandelt wird.
Genossenschaftsrevision ist die traditionsreichste Form der Wirtschaftsprüfung im deutschen Sprachraum
Der Gedanke, die einzelnen Genossenschaften durch einen verbandsmäßigen Zusammenschluss aneinander zu binden, um durch gegenseitige Hilfe und Beratung ihre Gesundung und Gesunderhaltung im Dienste der Wirtschaft zu stärken, ist fast ebenso alt wie die moderne Genossenschaftsbewegung im deutschen Sprachraum. Als es im 19. Jahrhundert zu ersten wirtschaftlichen Fehlschlägen durch Missmanagement, Unwissenheit oder auch Unlauterkeit der gewählten Genossenschaftsorgane kam, lag es für die Genossenschaftsverbände nahe, ihren Mitgliedsgenossenschaften nicht nur Belehrung und Erfahrungsaustausch, sondern auch eine Prüfung vor Ort anzubieten. Schon in den Jahren 1881 bzw. 1882 wurde die Durchführung solcher Prüfungen für alle den Verbänden angehörenden Genossenschaften satzungsmäßig zur Pflicht gemacht. Die verbleibende Lücke bestand darin, dass es den Genossenschaften freistand, einem Verband gar nicht erst beizutreten oder, wenn die Prüfung unangenehm wurde, aus dem Verband wieder auszutreten. Diese Lücke wurde in Deutschland bereits 1889 geschlossen. Damals wurde allen Genossenschaften die Verbandsmitgliedschaft und die Revision durch einen vom Verband bestellten Revisor verpflichtend vorgeschrieben. Den Anlass zu dieser gesetzlichen Regelung bildeten einige Genossenschaftszusammenbrüche. In der Begründung hieß es, die Einführung der Pflichtprüfung sei durch das öffentliche Interesse bedingt. Die Mitglieder der Genossenschaften gehörten in der Mehrzahl den wirtschaftlich schwächeren Kreisen an und verfügten nicht über soviel wirtschaftliche Widerstandskraft, um größere Verluste aus einer unverantwortlichen Geschäftsführung tragen zu können. Außerdem waren die wirtschaftlichen Kenntnisse der Mitglieder nicht ausreichend, um selbst zur Ausübung einer wirksamen Kontrolle der Geschäftsführung in der Lage zu sein. Ferner wurde darauf verwiesen, dass bei denjenigen Genossenschaften, die sich schon bisher der freiwilligen Revision durch ihren Verband unterworfen hatten, wesentlich günstigere Erfahrungen gemacht wurden. In Österreich verlief die Entwicklung ähnlich und führte im Jahr 1903 ebenfalls zur Einführung einer verpflichtenden Revision (Genossenschaftsrevisionsgesetz 1903), wobei der Verbandsrevision bis heute der Vorrang gegenüber einer verbandsfreien Revision zukommt.
Damit ist im deutschen Sprachraum die Genossenschaftsrevision die älteste Form der externen Abschlussprüfung überhaupt. Die aktienrechtliche Abschlussprüfung wurde demgegenüber erst in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts eingeführt.
Genossenschaftsrevision hat sich in der Praxis außerordentlich bewährt - das zeigt ein Blick auf die Insolvenzstatistik
1. Insolvenzvermeidung
Die in Verbandsstrukturen eingebettete Genossenschaft ist heute in Österreich für Mitglieder und Gläubiger die sicherste Rechtsform überhaupt. Dies lässt sich durch die Insolvenzstatistiken vieler Jahre belegen. Das erste Ziel der genossenschaftlichen Revision, nämlich der Schutz der Mitglieder vor Vermögensverlust und gegebenenfalls auch vor Inanspruchnahme ihrer persönlichen Nachschusspflicht, wird also in der Praxis ebenso erreicht wie der mitbezweckte Schutz der Gläubiger. Wenn an außerhalb der Kreditwirtschaft tätige Genossenschaften bei Kapitalaufbringung und -erhaltung teilweise geringere Anforderungen als an Kapitalgesellschaften gestellt werden, dann ist dies nicht zuletzt deshalb akzeptabel, weil durch die verpflichtende materielle Prüfung Insolvenzen schon von vornherein verhindert werden können.
2. Erfolg durch Spezialisierung
Der Genossenschaftsrevisor kennt nicht nur die zu prüfende Genossenschaft, sondern auch vergleichbare Genossenschaften mit vergleichbaren Problemen. Eine passendere Benchmark als die Nachbargenossenschaft wird es kaum geben. Die Gleichförmigkeit beginnt bei den rechtlichen Grundlagen (Satzung, Geschäftsordnungen etc) und geht bis hin zu den wirtschaftlichen Strukturen und der Managementkultur. Dies ermöglicht ein hohes Maß an Spezialisierung und damit an Treffsicherheit der Prüfung.
3. Erfolg durch Qualitätskontrolle
Die Prüfungsverbände verpflichten sich zur Qualitätskontrolle nach den in Österreich und international gültigen Standards und unterziehen sich in regelmäßigen Abständen einem Peer Review.
Die Prüfung erfolgt durch unabhängige und weisungsfreie Revisoren, deren Unabhängigkeit nicht zuletzt durch einen speziellen Kündigungsschutz gestärkt wird.
Die Organisation der Prüfung durch einen Revisionsverband (Verbandsprüfung) ist für dessen Mitglieder weder Selbstprüfung noch Innenrevision. Durch die große Zahl der Mitgliedsgenossenschaften hat keine einzelne die Chance, Einfluss auf ihre eigene Prüfung zu nehmen. Ein potentieller Einfluss auf die Prüfung wird dadurch verhindert, dass die geprüfte Genossenschaft nicht bei der Bestellung des Prüfers mitwirkt. Der Prüfer einer Genossenschaft wird nicht durch die Genossenschaft beauftragt, sondern ausschließlich durch den Revisionsverband bestellt. So hat denn auch die EU-Kommission in ihrer Empfehlung zur Unabhängigkeit des Abschlussprüfers vom 16. Mai 2002 (Abl. L 191 S 22 [S 38 FN 1]) im Zusammenhang mit der Abschlussprüfung von Genossenschaften zwei Dinge festgestellt: Zum Ersten hat sie zur Kenntnis genommen, dass manche nationale Rechtsordnungen die Prüfung durch einen nicht von den Gremien des Unternehmens selbst gewählten, sondern anderweitig nach den für dieses Unternehmen geltenden Rechtsvorschriften bestimmten Abschlussprüfer vorsehen. Sodann hat sie positiv vermerkt, dass dieser Umstand von den so bestimmten Abschlussprüfern als „Schutzmaßnahme“ gewertet werden könne, „die dazu beiträgt, bestimmte, durch eigene Interessen bedingte Risiken für ihre Unabhängigkeit zu verringern.“
Es ist eine weitere Stärkung der Unabhängigkeit des Prüfers, dass nicht der Verband, sondern der von diesem bestellte Revisor eigenverantwortlich prüft. Des Weiteren besteht zur Stärkung der Unabhängigkeit des Revisors ein erhöhter Kündigungsschutz nach § 19 Abs 5 GenRevG.
Die Revision ist Teil der besonderen genossenschaftlichen Corporate Governance
Die materielle, insbesondere auch an der Erfüllung des Förderungsauftrages der Genossenschaft interessierte Genossenschaftsrevision spielt eine unverzichtbare Rolle im Corporate Governance-System der Genossenschaft. Der Revisor prüft auch die Erfüllung des Förderungsauftrages und sorgt damit indirekt für die Erzeugung eines "Member-Values", d.h. für eine effiziente Leistungserstellung der Genossenschaft im Interresse der Mitglieder als Leistungsbezieher.
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